Im Rahmen des NFP 65 wurde das Entwerfen nicht nur als Werkzeug zur Imagination neuer Projekte verstanden, sondern auch als eigenständige Wissensform erforscht. Die zentrale These der Untersuchung besagt, dass das Entwerfen als Quelle und Mündung drei verschiedener Dimensionen gedacht werden kann: Als Veränderungsinstrument, als Mittel des Erkenntnisgewinns und als Ausgangslage einer Theorie der Praxis.
Das Material dieser Untersuchung bilden zahlreiche Beobachtungen der Entwurfsgenese von praktizierenden und auszubildenden Architekt/innen und Städtebauer/innen sowie eine Fülle von Entwurfsmaterialien und Produkten, die in den letzten vier Jahren am Lehrstuhl Christiaanse am D-ARCH gesammelt wurde. Bei der Auswertung des Materials fiel auf, dass dem Entwerfen jeweils unterschiedlichste Rollen zugewiesen werden: Erstens wird dem Entwerfen zugemutet, ein Synthesewerkzeug für erstrebenswerte Zukünfte zu sein. Zweitens wird das Entwerfen als experimentelle Untersuchung von bestehenden Situationen verstanden. Drittens liefert das Entwerfen den Kompass für die Vorstellung des benötigten Wissens, um ein spezifisches Problem lösen zu können. Viertens hilft Entwerfen oft nicht nur, offensichtliche Probleme zu lösen, sondern vor allem auch, Probleme überhaupt definieren zu können. Fünftens wird das Entwerfen auch als ein Synthesewerkzeug der Forschung verstanden, welches verschiedene Erkenntnisansätze und Perspektiven in ein proportionales Ganzes bringt.
Das Dissertationsprojekt erforscht und verknüpft diese verschiedenen Rollen und Perspektiven des Entwerfens, um den Entwurfsprozess über den schieren kreativen Akt hinaus als Wissensform verstehen und dementsprechend mit anderen Wissensformen besser in Beziehung setzen zu können. Es geht dabei vor allem um eine kritische Durchleuchtung und Systematisierung entwerferischer Denk- und Erkenntnisprozesse und um eine möglichst inklusive Darstellung des entwerfenden Denkens und Handelns. Dementsprechend wird nicht wie momentan üblich versucht, die Entwurfspraxis, die Entwurfstheorie und der Einsatz des Entwerfens in Forschungskollektiven zu stratifizieren und zu spezialisieren, sondern durch die basale Handlung des Entwerfens zu verknüpfen und somit als integrale Denkform zusammenzuhalten. Die Gedankenfigur eines zusammenhängenden Kosmos des Entwerfens wird einerseits theoretisch fundiert und andererseits anhand einfacher Beispiele Schritt für Schritt dargestellt, so dass das Forschungsprojekt auch als didaktisches Lehrmittel verwendet werden kann. Dieses beinhaltet Gedankenfiguren, die erstens das Verständnis des Entwerfens verbessern, zweitens diese Einsichten theoretisch ordnen und drittens die Entwurfspraxis strukturierend begleiten.
Simon Kretz ist Oberassistent und Dozent am Lehrstuhl von Prof. Ir. Kees Christiaanse am Institut für Städtebau, ETH Zürich. Dort doktoriert er zum Thema Entwurfsforschung. Zudem ist er Partner bei Salewski & Kretz Architekten und bei Nater und Kretz Architekten, zwei Büros für Architektur, Städtebau und Planung in Zürich. Mehr