In Zukunft sollen Wachstum und bauliche Entwicklungen innerhalb des bestehenden Siedlungsgebietes stattfinden – vorzugsweise an im öffentlichen Verkehr gut erschlossenen Lagen. Eine vermehrte Durchmischung städtischer Funktionen und mehr räumliche Nähe sollen gleichzeitig die Wege verkürzen und dadurch die Verkehrsentwicklung stabilisieren. Dies erfordert unweigerlich eine dichtere Bebauung. Der Begriff der Dichte wird in der öffentlichen Debatte aber oft wenig differenziert verwendet, was dazu führt, dass «Dichte» und «Verdichtung» in weiten Teilen der Bevölkerung negativ behaftet sind.
Die jüngsten politischen Entwicklungen verweisen auf ein erstarktes Bewusstsein der Bevölkerung für den Wert intakter Landschaften. Die Stossrichtung der aktuellen Stadt- und Raumentwicklungsdebatte ist bekannt: Das bestehende Siedlungsgebiet soll in Zukunft dichter bebaut resp. verdichtet werden. In weiten Teilen der Bevölkerung stösst diese Absicht jedoch auf Ablehnung, was die Folge einer wenig differenzierten Verwendung des Dichtebegriffs in der öffentlichen Diskussion sein dürfte. Meist wird Dichte auf die planungsrechtliche Definition der Ausnützungsziffer bezogen, die lediglich Auskunft über die quantitative Nutzung einer Fläche gibt. Dieser Aspekt allein wird dem Begriff jedoch nicht gerecht, denn «[…] das Konstrukt Dichte ist ein Hybrid – halb sozial und halb räumlich – und als Quotient von etwas Sozialem und etwas Baulich-Räumlichen ein Symbol (eine Repräsentation) für eine räumliche Materialisierung des Sozialen» (Roskamm 2011: 346).
Gemäss diesem Ansatz ist Dichte ein kompositer Begriff, der sich aus verschiedenen sozialräumlichen und städtebaulichen Faktoren zusammensetzt. Die bauliche Dichte gibt dabei nur Aufschluss über die gebaute Masse, ausgedrückt in Gebäudekubaturen oder Geschossflächen. Eine hohe bauliche Dichte, beispielsweise eines Hochhausquartiers, führt aber nicht zwangsläufig auch zu sozialer Dichte. Erst die Gegenüberstellung der Aussendichte (z.B. Einwohner pro Hektar) und der Innendichte (z.B. Bewohner resp. Beschäftigte pro m2 Geschossfläche) lässt Aussagen über die Benutzung gebauter Strukturen zu. Die soziale Dichte, resp. die Einwohner- und Nutzerdichte ist ein Indikator für die effektive Belegung einer Fläche resp. des Gebauten. Sie ist stark beeinflusst von der Durchmischung der Funktionen, die sich nicht in Wohnen und Arbeiten erschöpfen sollte, wenn Dichte als eine Qualität des Städtischen erlebt werden soll.
Die soziale Dichte, aber auch die Versorgungs- und Erlebnisdichte, die über die Vielfalt an Möglichkeiten der Alltagsgestaltung Auskunft geben sowie die Regelungsdichte, welche die Rahmenbedingungen für die Nutzung und damit für die Benutzung von Räumen und Orten festschreibt, bilden die Grundlage für einen produktiven Austausch zwischen Menschen – die Interaktionsdichte nimmt zu.
Die Frage nach der Verdichtung ist stets auch eine soziale Frage und muss sich deshalb immer auf einen konkreten Ort und seinen spezifischen sozialräumlichen Kontext beziehen. Nicht überall sind die Voraussetzungen für eine hohe Dichte und damit auch für eine Verdichtung gleichsam gegeben. Es bedarf einer sorgfältigen und differenzierten Auseinandersetzung mit den spezifischen Gegebenheiten und Potentialen. Eine differenzierte Verständigung über die unterschiedlichen Komponenten von Dichte ist dafür eine zentrale Voraussetzung.
Literatur: Roskamm, Nikolai 2011: Dichte. Eine Transdisziplinäre Dekonstruktion. Diskurse zu Stadt und Raum, Bielefeld: transcript Verlag
Lukas Küng ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur von Marc Angélil am Institut für Städtebau der ETH Zürich. Gegenwärtig betreut er im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms NFP65 «Neue urbane Qualität», ein Forschungsprojekt am Netzwerk Stadt und Landschaft. Zudem ist er Partner des Architekturbüros SLIK Architekten in Zürich.
Verena Poloni Esquivié ist Soziologin und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Dozentur für Soziologie der ETH Zürich. Neben ihrer Tätigkeit als Dozentin arbeitet sie mit am Nationalen Forschungsprogramm NFP65 «Neue urbane Qualität», ein Forschungsprojekt am Netzwerk Stadt und Landschaft.