Wachstum, Boden, Wohnen? Schweizer Städte und Gemeinden sind seit 2014 gesetzlich dazu verpflichtet ihre «Siedlungsentwicklung nach innen» (Art. 1 RPG) zu lenken. Gleichzeitig werden ihre verfügbaren Bodenreserven knapp und die Wohnbevölkerung wächst stetig. Wie können kommunale Planer:innen aktiv und strategisch in den Wohnungsmarkt eingreifen, um so die Innenentwicklung wirksam zu steuern?
Seit Jahresbeginn 2023 häufen sich in den Schweizer Medien die Schlagzeilen zu den Themen des steigenden Bevölkerungswachstums, des verdichteten Bauens und preisgünstigen Wohnens (siehe u.a. NZZ «Auf dem Weg zur 10-Millionen-Schweiz» vom 22.1.23; SRF vom 7.2.23 zur «9-Millionen-Schweiz»; NSL Kolloquium «Verdichtung oder Verdrängung» vom 9.2.23). Aufgrund der gesetzlichen Pflicht zur Siedlungsentwicklung nach innen nimmt die bauliche Erneuerung des Gebäudebestands – konkret über Ersatzneubau, Sanierung oder Aufstockung (erscheint in Kürze) – kontinuierlich zu. Damit einhergehend aber auch die Verdrängung vulnerabler Gruppen durch die Modernisierung des Bestands und die in Folge steigenden Mieten.
Wie aber können Städte und Gemeinden in ihrer täglichen Raumplanungspraxis dafür sorgen, dass nachhaltig – d.h. sowohl ökonomisch, ökologisch und sozial – verdichtet wird?
Wir stellen vier mögliche Interventionswege vor:
- Finanzielle Fördermittel: Gemeinden und Städte können eine nachhaltige Verdichtung fördern, indem sie direkt finanzielle Fördermittel zur Verfügung stellen. Zum Beispiel über öffentliche Fonds und Stiftungen, Subventionen für gemeinnützige Wohnbauträger, zinslose Darlehen.
- Zonierung: Die Gemeinde/Stadt greift über raumplanerische Massnahmen (konkret über den kommunalen Zonenplan und das Baureglement) in die Entwicklungstätigkeiten von Privaten ein. Zum Beispiel über Zonen für preisgünstiges Wohnen, Sondernutzungspläne, Quoten, Mehrwertausgleich, Vorkaufsrechte.
- Verträge: Die Gemeinde/Stadt verhandelt in Einzelfällen (z.B. auf Arealen) direkt mit Privaten über nachhaltige Verdichtungsmassnahmen. Zum Beispiel über städtebauliche Verträge, erhöhter Mieterschutz.
- Eigentum: Die Gemeinde/Stadt kauft selbst Land und/oder gibt dieses im Baurecht an gemeinnützige Wohnbauträger:innen oder an Private ab. Zum Beispiel über Baurechtsvergaben, Eigentum, Enteignung.
Aktive Boden- und Wohnungspolitik
Eine aktive kommunale Boden- und Wohnungspolitik zur Förderung einer nachhaltigen Verdichtung beinhaltet aber nicht, dass möglichst viele dieser Instrumente aktiviert werden. Sondern vielmehr, dass kommunale Planer:innen sich über diese rechtlichen Interventionswege bewusst werden (Sensibilisierung, Know-How) und im richtigen Moment die strategisch wirksamsten Instrumente einsetzen. Nachhaltig verdichten bedingt also, dass Gemeinden selbst und strategisch aktiv werden, anstatt passiv abzuwarten.
Dr. phil. nat. Gabriela Debrunner ist promovierte Geographin und Umweltsozialwissenschaftlerin mit Fokus Stadt- und Raumplanung. Sie arbeitet als Postdoktorandin und Research Associate am Institut für Raum- und Landschaftsentwicklung IRL der ETH Zürich. In ihrer Funktion ist sie sowohl an der Professur für Raumentwicklung und Stadtpolitik SPUR (Prof. Dr. David Kaufmann) als auch am Spatial Transformation Laboratories STL (PD Dr. Joris Van Wezemael) assoziiert. In ihrer Forschung beschäftigt sich Gabriela Debrunner mit der Frage, wie der Sozialraum Stadt funktioniert – mit der Brille des Urban-Governance-Ansatzes: Also der Frage, wie Akteure aktiv und strategisch Einfluss nehmen auf die sie umgebende räumliche Entwicklung.
Bevor sich Dr. Gabriela Debrunner der ETH Zürich anschloss, sammelte sie vielseitige Erfahrungen im Privat-, öffentlichen und Non-Profit-Sektor. Nebst ihrer Tätigkeit im Raumplanungsbüro («IVO Innenentwicklung AG»), arbeitete sie für die Regionalplanung Zürich und Umgebung («RZU»), das Stadtplanungsamt Winterthur sowie für die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete und ländlichen Räume («SAB»). Seit Oktober 2022 ist sie zudem selbstständig in unterschiedlichen Beratungsmandaten tätig.