Vorhandensein und Leistungsfähigkeit technischer Betriebssysteme werden heute in den Industrienationen vorausgesetzt. Dabei bildet die Versorgung von Wohneinheiten durch die öffentliche Infrastruktur in den anwachsenden Agglomerationen des globalen Südens eher die Ausnahme als die Regel. In den weniger entwickelten Ländern müssen etwa 30 Prozent der städtischen Bewohnerinnen und Bewohner ohne Wasseranschluss auskommen, und 29 Prozent der Weltbevölkerung leben unter prekären sanitären Bedingungen.
In einigen Ländern Afrikas mangelt es bereits mehr als der Hälfte der Stadtbewohnenden an grundlegender Infrastruktur. Eine weitere Verdoppelung der Slumbevölkerung in den nächsten fünfundzwanzig Jahren um 2 Milliarden Einwohner lässt den Aufwand zur Bereitstellung elementarer Infrastruktur ins Astronomische wachsen (weltweit auf 227 Milliarden US-Dollar). Angesichts des notwendigen Wandels zu nachhaltigen globalen Wirtschaften erfordert der Ausbau der wachsenden Metropolen zudem neue soziale Organisationsformen und Technologien. Wenn die Stadt des Industriezeitalters erst durch die Revolutionierung der Infrastruktur ihre neuen Dimensionen bewältigen konnte, welches sind dann die Instrumente, Strategien, technischen Innovationen und Akteure, die zukünftig die städtische Grundversorgung für alle garantieren? Wie viel Infrastruktur braucht die Stadt, damit sich die Bewohnerinnen und Bewohner ihren Lebensraum aneignen können?
Vor dem Hintergrund einer allgemein verbreiteten Vereinnahmung der Städte durch privatwirtschaftliche Interessen erscheinen Projektinitiativen, die sich auf öffentliche Belange und die Grundversorgung einer breiten Bevölkerung konzentrieren, als Meilensteine auf dem Weg zur sozialgerechten Verteilung städtischer Ressourcen. In einigen südamerikanischen Ländern haben Stadtregierungen begriffen, dass zur verkehrstechnischen Erschliessung der Slumgebiete Grossprojekte erforderlich sind. Die Einführung von Gondelbahnen in den dicht bebauten informellen Siedlungen in Medellín, Caracas und Rio de Janeiro bietet den Vorteil, dass zur Errichtung der Masten kaum Räumungen bestehender Strukturen vorgenommen werden müssen. Aus der Infra-Struktur, die üblicherweise ebenerdig oder unterhalb der Wohnbebauung angelegt werden sollte, wird eine Super-Struktur, die sich über die undurchdringlichen Wohnquartiere der hügeligen Stadtlandschaft erhebt.
Die genannten Projekte zeigen, wie grundlegende infrastrukturelle Versorgung alle Massstabsebenen durchdringt und gleichzeitig von unten als auch von oben gedacht werden muss. Die Stadt als Gesamtsystem kann nur dann zum funktionsfähigen Organismus transformiert werden, wenn sich Makro-Organisation und Mikro-Ausbau gegenseitig ergänzen. An der Leistungsfähigkeit dieser Infrastruktur wird sich zeigen, ob Wasser, Gas und Elektrizität nicht nur auf allen Etagen, sondern zukünftig auch in allen Wohnlagen der weltweit wachsenden Städte zur Verfügung stehen.
Der Artikel ist eine gekürzte Fassung eines Essays, der in dem Buch ‘Moderators of Change – Architektur, die hilft; Jahresring. 58. Jahrbuch für moderne Kunst’, editiert von Andres Lepik im Oktober 2011 im Hatje Cantz Verlag erscheinen wird.