Frau Annemarie Huber-Hotz (1999-2007 Bundeskanzlerin der Schweiz) hat 1976/77 das Nachdiplomstudium in Raumplanung (heute: MAS Raumplanung) absolviert. Wir haben ihr Fragen zu Raumplanung, Ausbildung und Politik gestellt.
Inwieweit hat Sie der MAS Lehrgang in Raumplanung in Ihren politischen Aktivitäten beeinflusst?
Das Nachdiplomstudium hat mich nicht nur mit der Raumplanung bekannt und mir ihre Bedeutung bewusst gemacht; ich habe auch nähere Einblicke bekommen in die politischen und rechtlichen Verfahren unseres Landes und in die Planungsmethoden. All das konnte ich in meiner Arbeit im Bundeshaus, bei der es auch um die Planung der Arbeit des Parlamentes und des Bundesrat ging, gut gebrauchen. Vom Nachdiplomstudium habe ich zudem die interdisziplinäre Zusammenarbeit als wichtige Erfahrung in den Berufsalltag mitgenommen.
Ist die Politik in der Lage, die Ziele der Raumplanung konsequent zu unterstützen?
Die Politik als solche gibt es nicht. Die Politik machen die verschiedenen Parteien mit ihren unterschiedlichen Programmen und ihre Vertreter im Parlament und im Bundesrat. Sie sind sehr wohl in der Lage, politische Fragen konsequent anzugehen. Allerdings ist die Raumplanung zur Zeit nicht zuoberst auf der politischen Agenda; aber die Revision des Raumplanungsgesetzes und die Überprüfung der Raumordnungspolitik ist in der Legislaturplanung vorgesehen. Ich hoffe, dass sich dann alle Parteien hinter eine fortschrittliche Raumordnungspolitik stellen werden.
Wie haben sich Ihrer Meinung nach die Aufgaben der Raumplanung seit Ihrer Ausbildung verändert?
Die Raumplanung hat nach wie vor eine wichtige Aufgabe zu erfüllen. Ihre Bedeutung hat mit dem Wachstum der Bevölkerung, den ständig zunehmenden Ansprüchen an Wohnraum und Raum für die Freizeit und an die Mobiliät sowie den Anforderungen des Umweltschutzes zugenommen. Gesellschaftliche und ökologische Fragen, wie z.B. die Integration und Energieversorgung, müssen mitberücksichtigt werden. Die Raumplanung ist also mehr als «nur» eine geschickte und verantwortungsvolle Verteilung des Raumes Schweiz auf verschiedene Nutzungen.
Was wären Ihrer Ansicht nach Möglichkeiten, um Studierende auf ihr Praxisgebiet noch besser vorzubereiten?
Ich finde es äusserst wichtig, dass die Studierenden während des Studiums mit dem praktischen Alltag vertraut gemacht werden, in Praktika oder in Teilzeitjobs bei Raumplanungsämtern oder -büros. Wertvoll ist es auch, wenn in Semester- und Abschlussarbeiten konkrete Fragen des raumplanerischen Alltags angegangen und abgehandelt werden. Zusätzlich möchte ich Auslandsemester empfehlen, die nicht nur für die fachliche Qualifizierung etwas bringen, sondern auch wertvolle menschliche Erfahrungen vermitteln.
Inwieweit können Kernfragen der Raumplanung im politschen Alltagsbewusstsein effizienter verankert werden?
Die Politikerinnen und Politiker – zumindest auf Ebene des Bundes – haben nicht so häufig Gelegenheit, sich mit raumplanerischen Fragen zu befassen. Man sollte deshalb deutlich machen, dass viele Teilpolitiken – wie Verkehrspolitik, Umweltpolitik, Landwirtschaftspolitik usw. – einen raumplanerischen Bezug haben. Dieser Bezug muss immer wieder von Neuem hergestellt werden.
Interview: Philipp Neff