Die Begriffe Inter- und Transdisziplinarität werden in den planenden und entwerfenden Berufen gerne und oft verwendet und verweisen auf die Zusammenarbeit unterschiedlicher Fachgebiete bei der Planung und Gestaltung der gebauten Umwelt. Die beiden Begriffe werden jedoch vielmals synonym oder unpräzise verwendet, obwohl sie – je nach Verständnis – unterschiedliche Bedeutungen haben. Dieser Artikel möchte einen kurzen Überblick über die relevanten Unterschiede zwischen diesen beiden Ansätzen ermöglichen. Was ist genau der Unterschied zwischen inter- und transdisziplinären Vorgehensweisen in Planung und Städtebau? Wer ist involviert? Und was bedeutet dies fürs eigene Berufsverständnis?
Städte können als komplexe Konstrukte verstanden werden, die aus dem Zusammenwirken unterschiedlicher Fachgebiete hervorgehen – von der Raumentwicklung über die Verkehrs- und Infrastrukturplanung bis zum Städtebau, der Landschaftsarchitektur und der Architektur. Der Dialog mit anderen an der Planung und Gestaltung der gebauten Umwelt beteiligten Disziplinen ist denn auch fester Bestandteil des Berufsverständnisses vieler Planenden, Städtebauer und Architektinnen.
Disziplinen lassen sich über ihre Betrachtungsgegenstände und ihre Methoden voneinander abgrenzen. Disziplinäre Vorgehensweisen zeichnen sich demnach durch einen spezifischen fachlichen Fokus sowie einer Reihe erprobter und bewährter Instrumente aus. Von Interdisziplinarität kann dann gesprochen werden, wenn durch die Zusammenarbeit unterschiedlicher Disziplinen Mehrwerte geschaffen werden. Ein Wissens- und Methodentransfer zwischen verschiedenen Disziplinen bereichert und erweitert die Perspektive über das eigene Fachgebiet hinaus und kann zu einem verbesserten Verständnis komplexer Sachverhalte und Aufgabenstellungen beitragen. Transdisziplinarität wird in diesem Zusammenhang oft als besonders erfolgreiche Interdisziplinarität im Sinne der obigen Definition verstanden. Wenn es gelingt, die Grenzen der beteiligten Disziplinen soweit zu verwischen, dass am Ende eines Planungs- oder Gestaltungsprozesses die Handschrift der verschiedenen Beteiligten nicht mehr unmittelbar erkennbar ist, wird von einem transdisziplinären Produkt gesprochen. Ein gutes Beispiel hierfür ist z.B. ein funktionierendes nachhaltiges Stadtquartier.
Weil Fragestellungen der Stadt- und Raumentwicklung zahlreiche Schnittstellen zu weiteren gesellschaftspolitisch relevanten Themenbereichen aufweisen und immer die Öffentlichkeit resp. eine sehr grosse Zahl von Menschen ausserhalb des fachlichen Diskurses betreffen, zirkuliert seit einiger Zeit eine erweiterte Definition von Transdisziplinarität. Diese versteht Tansdisziplinarität als Modus, der die disziplinären Grenzen gänzlich sprengt und nicht nur eine «Steigerungsform» von (fachlicher) Interdisziplinarität ist. Ein transdisziplinärer Prozess involviert dann nicht nur Fachleute sondern auch die Öffentlichkeit und legitimierte Entscheidungsträger aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in den Planung- oder Entwurfsprozess – und zwar nicht nur als Zuhörende, sondern als aktive und gleichberechtigte Partnerinnen und Partner. Dieser erweiterte Ansatz provoziert grundsätzliche Fragen, die das disziplinäre Berufsverständnis, die Bedeutung der fachlichen Expertise sowie das Verhältnis zwischen Forschung und Praxis im Planungs- und Entwurfsprozess tangieren: Ist es möglich, die aktuellen Fragen und Probleme der Stadt- und Raumentwicklung zu beantworten resp. zu lösen, ohne die Öffentlichkeit zu involvieren? Welchen Stellenwert haben der Experte und die Expertin in Fragen der räumlichen Entwicklung? Wie kann ein Lösungs- und Entscheidungsprozess im Dialog zwischen Forschung und Praxis zielführend und effizient gestaltet werden?
Von der Beantwortung dieser Fragen sollte also die Verwendung der beiden diskutierten Begriffe abhängen. Wer die Auseinandersetzung mit der politischen und praktischen Realität als einschränkend einstuft und lieber frei von alltäglichen Restriktionen nach möglichen Spielräumen und Alternativen forscht, sollte seine Arbeit als interdisziplinär verstehen. Wer den Dialog und den Austausch mit der gesellschaftlichen, politischen und praktischen Realität als für einen zielorientierten Planungs- und Entwurfsprozess unabdingbar hält, sollte ein transdisziplinäres Vorgehen anstreben.
Lukas Küng ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur von Marc Angélil am Institut für Städtebau der ETH Zürich. Gegenwärtig betreut er im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms NFP65 «Neue urbane Qualität», ein Forschungsprojekt am Netzwerk Stadt und Landschaft. Zudem ist er Partner des Architekturbüros SLIK Architekten in Zürich.