Prof. Dr. Adrienne Grêt-Regamey übernimmt vom 1. August 2015 bis 31. Juli 2017 die Leitung des NSL von Prof. Dr. Marc M. Angélil. Wir haben Frau Grêt-Regamey einige Fragen über Forschungsschwerpunkte, Stärken und Potenzial des NSL sowie ihren Sabbatical gestellt. Lesen Sie die Antworten zu ihrer neuen Herausforderung im Interview.
Adrienne, im Oktober 2008 hast du die Professur «Planung von Landschaft und Urbanen Systemen (PLUS)» am Institut für Raum- und Landschaftsentwicklung übernommen und nun wirst du für zwei Jahre die Leitung des NSL übernehmen (Antrittsinterview). Haben sich für dich seither deine Forschungsschwerpunkte geändert und wenn ja inwiefern und weshalb?
Ja, die Schwerpunkte der Professur haben sich verschoben. Als ich 2008 an die ETH Zürich berufen wurde, war das Thema der Ökosystemleistungen – also Leistungen, die Ökosysteme für Menschen erbringen – noch wenig etabliert. Das Konzept der Ökosystemleistungen verbindet Umwelt und Soziales und ermöglicht eine umfassende Sicht auf Mensch-Umwelt-Beziehungen. Es wurde immer mehr nach ihrer Integration in entscheidungsunterstützende Systeme für eine nachhaltige Landschaftsplanung gefragt. Viele Projekte wurden darauf aufgebaut.
Die Thematik hat dann aber einige interessante neue Türen geöffnet. Die Frage, wie Landnutzung unter zunehmender Globalisierung und dem Klimawandel optimiert werden kann und wie die verschiedensten Interessen im Entscheidungsprozess berücksichtigt werden können, nimmt immer mehr Ressourcen der Professur in Anspruch. So fokussieren die neueren Projekte in Asien und Afrika vermehrt auf das Entwerfen lokaler Landschaftsentwicklungsmuster. Dabei werden die Abhängigkeiten und Einflüsse von an anderen Orten ablaufenden landschaftsrelevanten Prozessen berücksichtigt. Dies bedingt eine zunehmende Zusammenarbeit mit lokalen und globalen Akteuren und ermöglicht, die Landschaftsentwicklungsprozesse der Schweiz in einer internationaleren Perspektive zu reflektieren.
Was waren für dich Meilensteine im Zusammenhang mit der interdisziplinären Zusammenarbeit innerhalb des NSL?
Das letzte Werkstattgespräch zum Future Cities Laboratory (FCL) sowie das Nationale Forschungsprojekt 65 «Neue Urbane Qualität» haben gezeigt, dass diese Zusammenarbeit (nicht nur zwischen einigen Professuren, sondern auch zwischen den Departementen an der ETH Zürich) notwendig ist, um Lösungen für die immer komplexer werdenden Fragen der Raumentwicklung formulieren zu können. Eine praxistaugliche, nachhaltige Flussrevitalisierung in einer asiatischen Mega-City kann nur durch den intensiven Austausch zwischen HydrologInnen, PlanerInnen, und ArchitektInnen geschehen – ein gutes Beispiel einer interdisziplinären Arbeit mit Professuren des NSL im Rahmen des FCL in Singapur. Auch in der Lehre ist diese Zusammenarbeit dringend erforderlich: Das interdepartementale «Landscape Visualization and Modeling Lab», eine Zusammenarbeit zwischen dem D-ARCH (Departement Architektur) und dem D-BAUG (Departement Bau, Umwelt und Geomatik), sorgt dafür, dass die ETH-Landschaftsplanenden auf dem neusten Stand in der Landschaftsarchitektur ausgebildet werden und vice versa. Diese breite interdisziplinäre Ausbildung stellt sicher, dass unsere Absolvierenden ihr hoch spezialisiertes Wissen auch breit anwenden und somit umfassende Lösungen formulieren und umsetzen können.
Du warst bereits am Ende deiner Doktorarbeit am NSL und kennst dieses daher sehr lange. Wo siehst du die Stärken und das Potenzial des NSL?
Das NSL bietet genau die richtige Plattform, um raumrelevante Projekte integrativ anzugehen und einen Lernprozess zwischen den Disziplinen zu fördern. Das Potential dieser Zusammenarbeit liegt aber nicht nur im Austausch von Wissen, sondern überhaupt im Schaffen des Bewusstseins für das Vorhandensein eines Kreativsektors mit gemeinsamen Interessen. Die gemeinsame und gleichzeitige Bearbeitung vieler aktueller, komplexer raumrelevanter Fragestellungen ist national und international wenig sichtbar. Es braucht aber diese gemeinsame Kompetenz, um die komplexen Landschafts- und Raumentwicklungsherausforderungen im interdisziplinären Dialog erfolgreich anzugehen.
Wie hast du deinen Sabbatical erlebt?
Sabbatical war für mich Zeit: Zunächst Zeit, um offen für Erstaunliches und Überraschendes zu sein. Es war aber mehr als das: Es war eine Zeit für das Erschliessen von Sinn – ein Zustand, den ich im jetzigen Alltag nicht verlieren möchte.