Um Arbeit, Freizeit und Wohnen möglichst nahe zu verbinden, zieht es immer mehr Menschen in Städte und ihre Agglomerationen. Vielerorts wird in die Fläche expandiert, die Schweiz hingegen möchte das prognostizierte Arbeitsplatz- und Bevölkerungswachstum vor allem durch die Transformation bereits bebauter Flächen absorbieren. Eine schwierige Aufgabe, zumal das 1980 vom Souverän angenommene Raumplanungsgesetz heute noch ein Vollzugsdefizit aufweist.
Sichtbare Folgen sind Wohnungsnot an zentralen Lagen und wachsender Leerwohnungsbestand in der Peripherie. Hinzu kommt, dass die Mobilität an ihre Grenzen stösst. Um lebenswert zu bleiben, müssen Stadträume gerechter wachsen. Die 15. Internationale Tagung ETH Forum Wohnungsbau des ETH Wohnforum – ETH CASE vom 5. April 2019 stellte anhand internationaler und nationaler Beispiele die Transformation von langfristig lebenswerten und sozialverträglich funktionierenden Städten in den Fokus, in denen Wohnen einen wesentlichen Faktor von Lebensqualität darstellt.
Keynote Rednerin Saskia Sassen, Soziologieprofessorin an der Columbia University New York, führte eindrücklich den gravierenden Wandel vor Augen, der sich im gegenwärtigen weltweiten Handel von Immobilien als materiellen Gegenwerten von an Börsen gehandelten Wertpapieren ausdrückt. Solchermassen als Anlageobjekte, sind sie nicht mehr länger für eine Nutzung wie eben Wohnen vorgesehen, sondern rentieren auch im Leerstand!
Der Fall Zürich
Die Tagung startete nach der global gespannten Keynote mit der Ausgangslage der Stadt Zürich: Diese steht vor der Herausforderung wie sie in den nächsten Jahren weiter wachsen soll – die Baulandreserven sind knapp, die notwendige Verdichtung nach innen ist in den Augen mancher Expertinnen und Experten gar nicht dicht genug – die geltenden Baugesetze geben dies aber so vor.
Die Bevölkerung wächst, da viele attraktive Arbeitsplätze winken. Allerdings führt das rasche Wirtschaftswachstum dazu, dass nicht in der gleichen Geschwindigkeit eine ausreichende Menge Wohnraum produziert werden kann. Hier entsteht eine Differenz zwischen Nachfrage und Angebot. Wohnraum zu leistbaren Preisen am Standort Zürich wird zunehmend Mangelware. Ökonomisch schwächere Haushalte müssen an suboptimale Lagen ausweichen, werden verdrängt. Das Wohnangebot an den zentralen Lagen, nahe der Arbeit, ist zu gering.
Die Tagungsteilnehmenden diskutierten mit namhaften nationalen und internationalen ExpertInnen entlang der grundsätzlichen Prämisse, dass die Ressource Boden endlich ist, zur Frage wie Verdichtung gelingen und eine hohe Wohn- und Lebensqualität in der Stadt erhalten werden kann. Eminent wichtig dabei sind die richtigen Raumplanungsinstrumente und Regelungen der Eigentums- und Steuerverhältnisse, die direkt auf den Boden einwirken. Und damit lebensraumwirksaum sind.
Auf der Tagungswebseite finden Sie Links zur Videoaufnahme des gesamten Anlasses, den Präsentationen, diversen Medienartikeln, etc.
Dr. phil. Marie Glaser forscht und lehrt als Europäische Ethnologin am Departement Architektur der ETH Zürich und leitet seit Ende 2015 das ETH Wohnforum Centre for Research on Architecture, Society & the Built Environment.