Am 6. April 2011 lud das ETH Studio Basel zu einer Veranstaltung mit dem Titel «Urbane Landschaften» auf den Hönggerberg ein. Präsentiert und diskutiert wurden drei städtebauliche Entwürfe, die am Studio Basel sowie in einer Zusammenarbeit der Büros Meili, Peter Architekten und Vogt Landschaftsarchitekten vor dem Hintergrund des «städtebaulichen Portraits der Schweiz» in den vergangenen Jahren entstanden sind.
Urbane Topographie Schweiz
Die Schweiz ist historisch betrachtet ein agrarisch geprägtes Land ohne grosse Städte. Dieser Umstand hat sich im Zuge der Industrialisierung nicht grundsätzlich verändert, hat für das Verhältnis von Stadt und Territorium aber neue Voraussetzungen geschaffen. Die in der Schweiz ausgeprägte Industrialisierung der «Landschaft» sorgte für die Freisetzung eigener urbaner Energien in vormals ländlichen Gebieten. Die Schweiz entwickelte ausgehend davon eine flächendeckende städtische Struktur, die wir als «Urbane Topographie» bezeichnet haben.
Dabei ist nicht eine «Grossstadt Schweiz» entstanden, sondern ein sehr differenziertes Gefüge verschiedener «Aggregatszustände» von Stadt. Viele Teile dieses Gefüges weisen kaum typologische oder morphologische Merkmale einer traditionellen Stadt auf. Deren Muster manifestieren sich vielmehr in «Oberflächenprägungen», in einer Strukturierung und Nutzung des Bodens.
Neue Zugriffsweisen?
Lange Zeit haben zwei Merkmale diese Strukturierung der Landschaft bestimmt: die Koexistenz der Nutzungen und das Gedächtnis der Landschaft. Mit der Entwicklung der letzten fünfzig Jahre sind diese Merkmale durch neue Formen der Urbanisierung ausser Kraft gesetzt worden. Damit ist nicht der sogenannte «Siedlungsbrei» gemeint, sondern eine traditionell städtische Organisationsform, die sich nun auch auf die Landschaft erstreckt. Die Landschaft entwickelt dabei gleich wie die Stadt synthetische und funktional dichte Systeme, welche die verschiedenen Funktionen integrieren und dabei im besten Fall produktive Energien freisetzen.
Die Veranstaltung hatte die Frage zum Inhalt, wie in solchen urbanen Landschaften städtebaulich operiert wird. Zentrale Herausforderung ist zunächst der unauflösbare Widerspruch einer modernen Okkupationsform, die einerseits die beschriebene Gedächtnisfunktion herausfordert, andererseits die Erinnerung an eine rurale Landschaft unter Schutz stellen will. Landschaft wird darum bis heute als «Oberfläche» und nicht als Raum geplant und strukturiert; Urbanisierung soll wenn möglich verschleiert und ein Rest kontinuierlicher Natur eingelagert werden.
Die Vorstellung einer spezifischen «ländlichen Räumlichkeit» als Gegensatz zur Stadt ist offenbar nicht aus dem kollektiven Bewusstsein zu tilgen. Die anschliessende Frage und eigentliche These der Veranstaltung lautete darum, ob deshalb das städtebauliche Instrumentarium neu definiert werden müsste und ob die Landschaftsarchitektur hierbei die leitende, dass heisst primär strukturierende Rolle übernehmen kann?
Christian Mueller Inderbitzin ist Architekt und Assistent am ETH Studio Basel.
Roger Diener [et al.] (2006): Die Schweiz – ein städtebauliches Portrait. Basel.