Während der COVID-Pandemie haben die Menschen ihr Verkehrsverhalten fundamental angepasst mit Verlagerungen vom öffentlichen Verkehr hin zu Individualverkehr. Insbesondere das Fahrrad erlebte einen regelrechten Boom während dem ersten Lockdown. Home office wurde zum ersten Mal global getestet und dies äusserst erfolgreich: die Pandemie hat die Home office Verbreitung um beinahe 40 Jahre beschleunigt. Inwiefern prägt dies das Verkehrsgleichgewicht?
Was ist das Erbe der Pandemie?
Die Präferenzen bezüglich Mobilitätsmittelwahl und daraus resultierende Verkehrsanteile haben sich im Zuge der Pandemie nicht nachhaltig verändert (Heimgartner & Axhausen, 2023). Menschen reagierten vielmehr auf die veränderten Umweltfaktoren (wie z.B. die Home office Pflicht und somit weniger Autoverkehr, was das Fahrradfahren zusätzlich attraktiv macht, oder eine wahrgenommen erhöhte Ansteckungsgefahr in den Zügen), die sich seither wieder normalisiert haben.
Kurzfristige Trends (wie beispielsweise der Lokaltourismus) scheinen bereits verebbt. Home office hingegen zeigt seit Anbeginn digitaler Kommunikationstechnologien ein robustes Wachstum. Dieser Wachstumspfad ist einer der wenigen Indikatoren, der einen nachhaltigen Strukturbruch durch die Pandemie erfuhr. Und dieser Wandel ist noch nicht gesättigt: Unsere Umfragedaten zeigen, dass sich die Arbeitnehmenden noch mehr Arbeit von zu Hause wünschen (momentan sind es durchschnittlich 1.65 Tage, gewünscht wäre aber durchschnittlich 2.31 Tage). Es stellt sich die Frage nach den treibenden Kräften.
Unsere diskreten Wahlmodelle legen nahe, dass die Gestaltung der Arbeitsverträge (z.B. Lohnanpassungen) nur bedingt die aggregierte Nachfrage nach Home office beeinflussen können. Inwiefern sich der Status quo also noch verschiebt, wird primär durch den langfristigen Strukturwandel der weiteren Digitalisierung, den individuellen Präferenzen und der Verhandlungsmacht auf dem Arbeitsmarkt bestimmt. Ein wesentlicher Rückgang ist jedoch nicht zu erwarten.
Ein ganzheitliches Verständnis entwickeln
In einem systemischen Ansatz möchten wir verstehen, inwiefern sich die Verkehrsnachfrage durch Home office verändert. Hierzu setzten wir Modelle ein, die abbilden, ob eine Person Zugang zu Home office hat und wie viele Tage die Woche sie diese Möglichkeit nutzen möchte. Des Weiteren modellieren wir in Abhängigkeit die Neigung, bestimmte Verkehrsmittel zu besitzen. Es erstaunt nicht, dass es einen negativen Zusammenhang zwischen Home office und ÖV-Abos gibt (GA und Regionalabo). «Jetzt kommen die Alternativen zum GA» kommentiert dann auch der SRF. Hingegen gibt es keinen starken Substitutionseffekt hin zu Autos. Zudem ist es wichtig zu verstehen, inwiefern sich unser Tagesablauf im Home office vom Büroalltag unterscheidet. Alternative Aktivitätenketten können wir dank unserer Trackingstudie genau nachvollziehen.
All diese Parmeter integrieren wir in unserer Software MATSim, um das Verkehrsverhalten einer Bevölkerung repräsentativ zu simulieren. Dieses virtuelle Abbild erlaubt es uns Rückschlüsse zu ziehen, inwiefern Home office das Potential hat, Verkehrsspitzen und Pendlerströme abzuflachen, Verkehrsmittelanteile zu verändern und Emissionen zu reduzieren.
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Daniel Heimgartner, ETH Zürich, D-BAUG, ist Doktorand am Institut für Verkehrsplanung und Transportsysteme mit Interesse für statistisches Modellieren/Ökonometrie – insbesondere für die Frage, wie wir gleichzeitig mehrere Dimensionen und Fehlerkorrelationen abbilden können (z.B. Home office Zugang und Frequenz). Damit verbunden ist, wie solche Modellansätze technisch implementiert werden können.