Seit in Kraft treten des revidierten Raumplanungsgesetzes (RPG) auf 1. Mai 2014 sind alle 26 Schweizer Kantone und über 2130 Gemeinden dazu verpflichtet, ihre «Siedlungsentwicklung nach innen» zu lenken. Politik und Behörden müssen folglich ihre bestehenden Siedlungen verdichten, um Zersiedlung zu verhindern und den Flächenverbrauch pro Kopf zu reduzieren. Doch wie können sie dieses politische Ziel in der täglichen Raumplanungspraxis nachhaltig umsetzen, und was hat das mit Akzeptanz zu tun? Darum geht es in diesem Artikel.
Akzeptanz als Voraussetzung für nachhaltige Verdichtung
Die Umsetzung der «Siedlungsentwicklung nach innen» stellt kommunale Planungsbehörden vor komplexe, soziopolitische Herausforderungen: Zum Beispiel, wenn Grundeigentümer:innen eine geplante Innenentwicklung aufgrund befürchteter Eigentumseinschränkungen blockieren oder wenn Nachbar:innen aufgrund schwindender Aussicht oder Baulärm Einsprache gegen ein geplantes Verdichtungsprojekt erheben. Gründe, die auf fehlende Akzeptanz seitens Beteiligter für Verdichtung hinweisen und teils zu langen Bauverzögerungen führen. Und weswegen diese involvierten Parteien ein – seitens Behörden häufig bereits bewilligtes Bauprojekt – dennoch ablehnen.
Kommunale Planungsbehörden können solchen Widerstandsbewegungen durch Grundeigentümer:innen oder Nachbarschaftsparteien aber frühzeitig vorbeugen. Dies, indem sie sich strategisches Wissen darüber aneignen, wie sie Verdichtungsprojekte proaktiv planen und gestalten können, sodass diese auf lokale Akzeptanz stossen. Im Endeffekt erhöht ein solches strategisches Vorgehen die Effektivität der Raumplanung – sprich, dass Innenentwicklung nicht nur politisch gefordert, sondern in der täglichen Raumplanungspraxis auch tatsächlich umgesetzt werden kann. Gleichzeitig führen politische und planerische Massnahmen zur Erhöhung der Akzeptanz für Verdichtung dazu, dass langwierige Einsprache- und Baubewilligungsverfahren frühzeitig verhindert werden. Die Interessen, Bedürfnisse und Anliegen verschiedener am Projekt beteiligter Parteien werden stattdessen proaktiv in den Raumplanungsprozess miteinbezogen.
Was trägt zur Akzeptanz der Bevölkerung für Verdichtung bei?
Doch was genau führt aus der Sicht der Bevölkerung zur Erhöhung der Akzeptanz urbaner Verdichtung? Im vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) geförderten Forschungsprojekt «Densifying Switzerland», an der Professur für Raumentwicklung und Stadtpolitik (SPUR) der ETH Zürich, gehen wir dieser Frage nach. In einem Umfrageexperiment im Frühling 2023 in den 162 statistischen Städten der Schweiz (4.12 Mio. Bewohnende), nahmen insgesamt 3’388 Personen teil. In der repräsentativen Umfrage wurden die Teilnehmer:innen zu unterschiedlichen, hypothetischen Vorschlägen für Verdichtungsprojekte befragt. Dabei konnten sie bestimmten Attributen zustimmen oder diese ablehnen wie z.B. den Verdichtungsgrad, den Nutzungsmix oder die Höhe der Mieten des vorgeschlagenen Projekts. Daraus abgeleitet und errechnet wurden diejenigen Attribute, die bei den Teilnehmer:innen zu signifikant höheren bzw. tieferen Akzeptanzwerten für urbane Verdichtungsprojekte führten.
Ökologische und soziale Begleitmassnahmen erhöhen die Akzeptanz von Verdichtung
Aus den Resultaten des Umfrageexperiments (Wicki et al., 2024, wird im Januar 2024 erscheinen) geht hervor, dass ökologische und soziale Begleitmassnahmen die Akzeptanz urbaner Verdichtung aus der Sicht der Bevölkerung erhöhen. Aber was genau bedeutet das? Wie können Stadtplaner:innen und Grundeigentümer:innen ökosozial planen und verdichten? Hier einige Antworten darauf aus raumplanerischer und akteursbezogener Perspektive (Abb.1; Tab.1):
Gabriela Debrunner, Dr.sc.nat., ist promovierte Geographin und Umweltsozialwissenschaftlerin mit Fokus Stadt- und Raumplanung. Sie arbeitet als Postdoktorandin und Research Associate am Institut für Raum- und Landschaftsentwicklung IRL der ETH Zürich. In ihrer Funktion ist sie am Lehrstuhl für Raumentwicklung und Stadtpoli-tik SPUR assoziert. In ihrer Forschung beschäftigt sich Gabriela Debrunner mit der Frage, wie der Sozialraum Stadt funktioniert – mit der Brille des Urban-Governance-Ansatzes: Also der Frage, wie Akteure aktiv und strategisch Einfluss nehmen können auf die sie umgebende räumliche Entwicklung.
Bevor sich Dr. Gabriela Debrunner der ETH Zürich anschloss, sammelte sie vielseitige Erfahrungen im Privat-, Öffentlichen und Non-Profit-Sektor. Nebst ihrer Tätigkeit im Raumplanungsbüro («IVO Innenentwicklung AG»), arbeitete sie für die Regionalplanung Zürich und Umgebung («RZU»), das Stadtplanungsamt Winterthur sowie für die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete und ländlichen Räume («SAB»). Seit Oktober 2022 ist sie zudem selbstständig in unterschiedlichen Raumentwicklungs-Mandaten tätig.